31 Juli 2006

Skype oder Jajah?

Meine Telefonrechnungen sind extrem hoch, privat und geschäftlich, denn sowohl ein großer Teil meiner Familie als auch viele Kunden leben ca. 10.000 km von mir entfernt. Skype war eine Option, meine Telefonrechnungen zu "entschärfen", aber über das im Computer eingebaute Mikrofon und den zugehörigen Lautsprecher zu telefonieren, ist qualitativ unbefriedigend und läßt jeden in der näheren Umgebung mithören. Eine Alternative wäre ein unbequemer Kopfhörer mit Mikrophon oder ein Zusatzgerät, welches programmiert werden muß, um das normale Telefon zu benutzen.

Jetzt habe ich eine wesentlich bessere Lösung im Einsatz, im Internet unter http://www.jajah.com zu finden. Man registriert sich und kann ohne Programmierung und zusätzliche Hardware sein normales Telefon, auch das Handy, für die Internettelefonie benutzen. Die Eingabe der gewünschten Telefonnummer in http://www.jajah.com/members reicht (es gibt auch ein online - Telefonbuch zum Anklicken der Nummer), man erfährt die Kosten pro Minute des Telefongespräches und klickt TELEFONIEREN und kurz darauf klingelt das eigene Telefon. Man wartet dann nur noch, daß der gewünschte Gesprächspartner sein Telefon abhebt und ist verbunden. Anschließend kann man sofort nachsehen, was das Gespräch gekostet hat. Und Gespräche zwischen bei Jajah registrierten Teilnehmertelefonanschlüssen sind kostenlos! Deshalb lohnt sich dieser Service auch für deutsche Vieltelefonierer, die über spezielle Vorwahlen im Vergleich zu mir in Brasilien extrem billig telefonieren können, denn ich kann sie kostenlos anrufen. Und ein solcher direkter Kontakt ist wesentlich besser als eine E-Mail!

Einziges Problem in Brasilien, man kann seine Rechnungen nicht per Kreditkarte bezahlen, aber z.B. per Banküberweisung ein Guthaben anlegen und dann abtelefonieren. Warum? Ich habe gefragt und eine schriftliche Auskunft bekommen: In Brasilien gäbe es soviele Versuche, Kreditenkartenbetrug zu begehen, daß man sich entschieden habe, das Land zwar zu bedienen, aber nur gegen Vorkasse. Spricht nicht gerade für mein schönes Gastland, oder?

27 Juli 2006

Brasilien erlaubt Exporteuren Fremdwährungskonten im Ausland

Endlich wurde ein Gesetz aus dem Jahr 1930 geändert und Brasiliens Exporteure können ihre Einnahmen in Fremdwährung im Ausland behalten und sogar direkt für die Bezahlung von Fremdwährungsverpflichtungen benutzen. Bisher mußte das Geld nach Brasilien transferiert werden, wurde hier zwangsumgetauscht und dann in R$ dem Exporteur gutgeschrieben. Zum Begleichen seiner Auslandsverbindlichkeiten mußte dieser dann Fremdwährung kaufen und ins Ausland transferieren, was nur mit Zentralbankgenehmigung möglich war. Allerdings sieht die neue Regelung vor, daß nur ein Teil der Exporteinnahmen im Ausland bleiben darf, man spricht z.Z. von 30 %. Typisch ist mal wieder, daß ein Gesetz geändert wird, die Ausführungsbestimmungen aber noch unklar sind. Bei Geschäften bis 3000 US$ soll künftig kein vertraglicher Kursschluß mehr nötig sein. In brasilianischen Dutyfreeshops soll jetzt auch mit R$ eingekauft werden können. Zuletzt sollen Firmen noch ihre Auslandsinvestitionen rückwirkend bis 2004 bei der Zentralbank registrieren können, was für den Transfer von Gewinnen und Dividenden wichtig ist. Alles dies soll, wie die Regierung es in typischer Schönfärberei sagt, nicht dazu beitragen, daß der R$ geschwächt, sondern daß der US$ gestärkt wird. Diese Wortwahl erinnert mich sehr an negatives Wachstum oder Nullwachstum. Warum wird dem Wähler so selten die unverblümte Wahrheit gesagt? Abschließend noch zwei Zahlen: Die Regierung erwartet durch diese Maßnahmen einen CPMF - Steuerausfall von 200 Mio. R$ und eine Reduzierung des Fremdwährungseinganges um 20 Mrd. US$. Warten wirs ab, nach der Verkündigung des Paketes fiel der US$ jedenfalls erstmal. Hier sehen Sie die für Europäer interessantere € - R$ - Kursentwicklung der letzten 5 Tage und der letzten 2 Jahre.

26 Juli 2006

Atomkraftwerke in Brasilien

Angra I und II erzeugen Elektroenergie für 98,64 R$ / MWh, das noch nicht gebaute Kraftwerk Angra III wird diese Kosten mit 138 R$ / MWh ziemlich übersteigen. Trotzdem plant die Eletronuclear fünfzehn weitere Atomkraftwerke bis 2035, um dem Energiebedarf Brasiliens gerecht zu werden. Das erfordert ca. 30 Mrd. US$ Investitionen, wohl dem, der liefern darf! Angra II hat übrigens 10 Mrd. R$ gekostet, 7 Mrd. R$ davon wurden für Zinsen "verbraten". Kurz nach der Einweihung von Angra II betrugen die Kosten der durch Kernspaltung freiwerdenden Energie 45 R$ pro MWh gegenüber damals 35 R$ pro MWh eines Wasserkraftwerkes. Die erforderlichen Investitionen wurden mit 6000 US$/kW für ein Kernkraftwerk gegenüber 100 US$/kW für ein Wasserkraftwerk angegeben.

Für 2005 liegen die Kosten für die Stromerzeugung durch Atomkraftwerke bei 20 bis 50 US$/MWh, für Kohlekraftwerke werden sie mit 25 bis 60 US$/MWh angegeben und für Naturgaskraftwerke sind es 37 bis 60 US$/MWh. Quelle: World Nuclear Association. Wissen Sie übrigens, was das Gute an der WNA ist? Sie verwechselt nicht MWh mit MW oder MW/h wie es unsere brasilianische Presse tut.

Egal, ob die Atomkraftwerke gebaut werden und ob es dann doch Wasserkraft- oder Naturgaskraftwerke sein werden, auf jeden Fall tut sich hier eine gute Chance für spezialisierte ausländische Zulieferer auf.

24 Juli 2006

Welthandel und Royalties

Die Welthandelsorgaisation hat in ihrem Bericht über 2005 einen Rekordwert bekanntgegeben, das erste Mal in der Geschichte unseres Planeten hat das Welthandelsvolumen 10 Billionen US$ überschritten. Das deutsch - brasilianische Handelsvolumen machte davor mit 11 Mrd. US$ nur 0,11 % aus, ist also durchaus entwicklungsfähig. Ob es sich aber entwickeln wird, ist eine andere Frage, denn was schreibt A.T. Kearny im Globalisierungsbericht 2005? Lesen Sie selbst:

Zitat aus der A.T.Kearney Pressemittteilung DEUTSCHLAND DROHT BEI GLOBALISIERUNG ANSCHLUSS ZU VERLIEREN vom 6.7.2006:

"Entgegen dem weltweiten Globalisierungstrend sorgt vor allem die mangelnde wirtschaftliche Integration dafür, dass Deutschland um weitere drei Plätze auf Rang 21 abgerutscht ist. „Vor allem die sehr zögerlichen grenzüberschreitenden
Direktinvestitionen (FDI) und das nahezu stagnierende internationale Handelsvolumen – die beide in Relation zum Bruttoinlandsprodukt in den Index einfließen – sind die Gründe für das schlechte Abschneiden Deutschlands“, sagt Paul A. Laudicina, Leiter des A.T. Kearney Global Business Policy Council (GBPC): „Das Handelsvolumen konnte zwar trotz des schwachen Dollars den Vorjahreswert übertreffen, doch die ausländischen Direktinvestitionen sind auf ein Drittel des Vorjahres zurückgegangen.“ In der Kategorie wirtschaftliche Integration belegt Deutschland dadurch lediglich Rang 43. Neben mittleren Platzierungen in den Bereichen soziale Integration (Rang 29) und technologische Vernetzung (Rang 17) findet sich Deutschland lediglich in der Kategorie politisches Engagement unter den Top Ten wieder (Rang 8). Dabei honoriert der Index die weltoffene Politik und das Engagement Deutschlands in internationalen Organisationen mit einem
zweiten Rang in der Unterkategorie Engagement in internationalen Organisationen. "

Um zu dieser Schlußfolgerung zu kommen, wurden diese vier Bewertungskategorien mit ihren zwölf Unterkategorien

1. Wirtschaftliche Integration: Verhältnis von internationalem Handelsvolumen und grenzüberschreitenden Direktinvestitionen am Bruttoinlandsprodukt (BIP)
2. Soziale Integration: Internationale Reisetätigkeit und Tourismus, Telefonverkehr, private Auslandsüberweisungen
3. Technologische Vernetzung: Anzahl Internet-User & -Hosts, sichere Server
4. Politisches Engagement: Mitgliedschaft in bedeutenden internationalen Organisationen, personelle und finanzielle Beiträge zu friedenserhaltenden UN-Maßnahmen, Ratifizierung internationaler Abkommen, Transferzahlungen der Regierung

zur Bildung eines Globalisierungsindexes benutzt, nach dem sich folgende Globalisierungsrangreihe ergab:

1. Singapur
2. Irland
3. Schweiz
4. USA
5. Niederlande
6. Kanada
7. Dänemark
8. Schweden
9. Österreich
10. Finnland
11. Neuseeland
12. Großbritannien
13. Australien
14. Norwegen
15. Tschechische Republik
16. Kroatien
17. Israel
18. Frankreich
19. Malaysia
20. Slowenien

Und jetzt suchen Sie Deutschland, oder? Sie werden es finden, aber nicht unter den ersten 10 und nicht unter den ersten 20 Ländern, erst auf Platz 21 erscheint es und hat sich damit als Exportweltmeister ein dicke Rüge verdient.

Was Patente pro Kopf angeht, steht Deutschland nach wie vor nicht schlecht da, immerhin befindet es sich nach den USA und Japan auf Platz 3, darf also aufs Treppchen, hört aber nicht die eigene Nationalhymne.

2000 zahlte Brasilien 1,4 Mrd. US$ Royalties, 2004 waren es nur noch 1,2 Mrd. US$. Das geht klar gegen den Trend wie er sich in anderen Schwellenländer wie China, Mexiko und Indien zeigt. Weltweit betrug die Summe aller 2004 gezahlten Royalties 130 Mrd. US$, der Anteil Brasiliens war also 1,1 %. 2004 nahmen die USA 52,6 Mrd. US$ mit diesen Zahlungen ein, Europa kam auf 35 und Japan auf 15.

23 Juli 2006

Elektroenergie: Stromerzeugung und -verteilung

Nachdem große Firmen wie (die französische) EDF, Alliant und El Paso, die sich an der Privatisierung des Elektoenergiesektors beteiligt hatten, das Land wegen der Änderung der Spielregeln durch die Regierung Lula verlassen haben und Duke Energy, Eigentümer von acht Wasserkraftwerken, ebenfalls unzufrieden sein soll, aber keine Möglichkeit sehe, sich zurückzuziehen, ändern sich die Eigentumsverhältnisse in diesem Sektor. Es gibt nämlich brasilianische Gruppen, die ihr Geschäft im Stromversorgungssektor ausbauen wie Andrade Gutierrez und Cemig, die die Light kauften sowie die GP-Gruppe, die in Nordbrasilien andere EVUs kaufen möchte.

Vom jährlichen Umsatzvolumen her ist der Sektor mit mehr als 100 Mrd. R$ sehr interessant, das finden auch Brascan, Enel, Interconéxion Eletrica (ISA), Montana Dakota Untilities (MDU) und Abengoa, die fertige Kraftwerke oder Verteilernetze übernahmen. Neu ist, daß sich auch Agrobusinessfirmen und Zulieferer der EVUs Eingang zur Energieerzeugung und -verteilung verschaffen wollen, wie die Beispiele von Dedini (Kesselbauer und Kraftwerksmonteur) und Cosan (Zucker- und Alkoholfabrikant) zeigen.

Die kanadische Brascan Energética kontrolliert bereits zwölf kleine Wasserkraftwerke und baut weitere drei in Goiás, Santa Catarina und Mato Grosso. Weitere drei seien geplant. Im selben Bereich investierte der größte Stromerzeuger Italiens, die Enel-Gruppe, über ihre lateinamerikanische Vertretung, die von der Grupo Rede elf Wasserkraftwerke für 450 Mio. R$ kaufte.

Die US-Firma MDU will in Kooperation mit Copelmi, Andrade Gutierrez und Eletrobrás für 800 Mio. US$ ein Kohlekraftwerk in Rio Grande do Sul bauen, welches Seival heißen wird. MDU gehört auch zu einem Konsortium, welches noch Cemig und Brascan umfaßt. Dieses will von der Schahin-Gruppe die Konzession für fünf Hochspannungsleitungen mit einer Gesamtlänge von 2.143 km erwerben. Als große Konkurrenten treten hier die spanischen Firmen Abengoa und Isolux auf, die heute je sechs Übertragungsleitungen besitzen. Selbst die Kolumbianer engagierten sich, die ISA kaufte die Companhia de Transmissão de Energia Elétrica Paulista - Cteep für 1,19 Mrd. R$.

Ab 2012 soll Elektroenergie wieder knapp werden, wenn der Bau neuer Kraftwerke weiter durch die Umweltschutzbehörde verzögert wird. Auf jeden Fall haben Zulieferer des Elektroenergiesektors in den nächsten Jahren einen vielversprechenden Markt in Brasilien. Und wir als Verbraucher hoffentlich genug Energie. Zumindestens sind die Versorgungsausfälle, wie sie 1978, als ich ins Land kam, die Regel waren, sehr selten geworden.

20 Juli 2006

Das Eurolatinabüro


Für die, die neugierig sind, wo dieser Blog geschrieben wird, hier sehen Sie im Obergeschoß das Eurolatinabüro (die rechte Hälfte des Gebäudes).

Zinsentwicklung per 20.7.2006


Obige Graphik wurde am 20.7.2006 im ESTADO DE SÃO PAULO veröffentlicht. Der nominale Leitzins ist danach so niedrig wie seit 31 Jahren (!!!) nicht mehr, aber trotzdem zahlen Otto Normalverbraucher und auch Graf Koks von der Gasanstalt immer noch die höchsten Realzinsen der Welt. Aber zum Ausgleich sind ihre Habenzinsen wesentlich niedriger, die Banken gönnen sich ja sonst nichts. Bitte glauben Sie jetzt nicht, daß ich Sozialist bin - im Gegenteil! Aber das Argument der Banken für den weiterhin exorbitanten Spread, daß nämlich das Risiko sehr hoch sei, ist gelinde gesagt, unglaubwürdig. Beziehungsweise erinnert mich an sich selbst erfüllende Vorhersagen. Denn der Kreditnehmer muß sehr hohe Zinsen zahlen, deshalb hat er Probleme mit der Rückzahlung und wegen dieser Probleme müssen die Zinsen hoch sein, weil das Risiko hoch ist. Lächerlich und frühkapitalistisch,nach dem Motto, wenn es Brei regnet, muß man den Löffel raushalten. Der ESTADO DE SÃO PAULO erwähnt noch, daß der brasilianische Realzins, also unter Abzug der Inflation der nächsten 12 Monate, immer noch den Weltrekord hält. Er beträgt stolze 9,9 % im Jahr, Malaysia bringt es auf 9,3 %, Singapur auf 7,1 %, Hong Kong auf 4,7 % und die früher so geschmähte Türkei nur noch auf 4,5 %! Interessant übrigens die Anwesenheit von Tigerstaaten in dieser Aufzählung.

Und wer hat die Schuld an der schlechten Position Brasiliens? Natürlich die Regierung und die bei uns von ihr abhängige Zentralbank, denn wenn diese mehr Inflation zuließen, würde der Realzins niedriger sein! Oder nicht? Denn wenn die Inflation höher wäre, würde auch der Leitzins angehoben werden, eine Schraube ohne Ende.

Der Leitzins wird übrigens zum Jahresende von den Auguren bei 14 % gesehen, kein Wunder, daß das ausländische Geld, was in Brasilien investiert wird, zum großen Teil in zinsbringende und nicht in produzierende Anlagen gesteckt wird. Und wenn der Leitzins weiterhin so schüchtern reduziert wird, wird sich daran nicht viel ändern.

Zum Schluß noch eine Anmerkung zum Wechselkurs. Die angekündigte Reform läßt auf sich warten, aber vielleicht schon in der kommenden Woche wird es endlich wahr und brasilianische Exporteure können die eingenommende Hartwährung im Ausland deponieren und zum Bezahlen von Verpflichtungen aus ihren Importen benutzen. Bis jetzt scheitert diese für eine moderne Volkswirtschaft eigentlich selbstverständliche Regelung daran, daß sie einen Steuerausfall von 200 Mio. R$ im Jahr bedeutet, denn hier bei uns wird ja jede Kontenbewegung besteuert. Und die Regierung versucht noch, eine Möglichkeit zu finden, diesen Ausfall zu kompensieren. Mein Vorschlag dazu: weniger aufwendige und augenauswischende Propaganda, diese kostet mehr als das Doppelte im Jahr.

11 Juli 2006

Inflation, Zinsen und Wachstum

Der IPCA - Index wies im Juni mit - 0,21 % Deflation aus, ein seit August 1998 unerreichter Wert, der darauf hindeutet, daß das Jahresziel von 4,5 % unterboten werden wird. Der Leitzins wird von den „Experten“ schon bei 13,75 bis 14,5 % am Jahresende gesehen. Ich habe die Anführungsstriche gesetzt, um anzudeuten, daß auch Experten die Zukunft nicht voraussagen können und außerdem ist es bei dem Abstand des Leitzinses zu den von den brasilianischen Banken, egal ob privat oder staatlich, praktizierten Sollzinsen völlig unerheblich, ob der Leitzins 14,5 oder 9 % im Jahr beträgt, wenn der Kreditnehmer über 50 % zahlen muß. Wer wissen will, warum wir Deflation haben, kann die Gründe hier finden: Billige Importe durch den starken Real und niedrige Alkohol- und Lebensmittelpreise.

Mit fallender Inflation wächst Brasiliens Wirtschaft zur Freude der Regierung, zum Leidwesen der Industrie, des Handels und der Verbraucher / Arbeitnehmer aber nicht so stark, wie sie könnte und sollte. Zwischen 1999 und 2002 wuchs das BIP durchschnittlich um 2,2 % im Jahr, aber weltweit um 3,5 %. Zwischen 2003 und 2006 wird Brasilien durchschnittlich um 2,9 % gewachsen sein, vorausgesetzt, wir schaffen dieses Jahr 4 %. Aber weltweit werden 4,8 % erreicht werden, also hängt sich Brasilien in Wirklichkeit vom Rest der Welt ab. Aber das ist ja eine Spezialität der jetzigen Regierung, wie die Entscheidung für das japanische digitale TV-System zeigt, welches in einer modifizierten (hier heißt es „weiterentwickelten“) Form in Brasilien eingeführt werden und dann einmalig in der Welt sein wird. Was unsere Exportchancen für im Lande hergestelle Fernseher enorm verbessert, oder?

Aber trotzdem ist Brasilien kurz davor, von R&I als sicheres Land für ausländische Investitionen eingestuft zu werden, denn das Rating wurde Anfang Juli 2006 von BB- auf BB+ heraufgesetzt. Andere Ratingagenturen sehen Brasilien weniger optimistisch, bei Fitch und Standard & Poors ist Brasilien 2 und bei Moody’s sogar noch 3 Stufen von der ersehnten Einstufung als sicheres Investitionsland entfernt. Aber da Länder mit schlechteren volkswirtschaftlichen Daten besser als Brasilien eingestuft sind, verdient das Land vielleicht wirklich ein besseres Rating. Oder benötigt es nur eine bessere Regierung?

Unerwarteterweise wächt die brasilianische Industrie signifikant, aber in den exportintensiven Sektoren wie Zellulose, Leder, Tabak, Holz und Fleisch deutlich weniger als in den anderen. Einige vom Glück begünstigte Branchen konnten ihre Produktion in den letzten Monaten fast verdoppeln, z.B der Philipps - Konkurrent Semp &Toshiba, der per Mai 1,3 Mio. Fernsehgeräte auslieferte, 80 % mehr als im identischen Vorjahreszeitraum. Bis Dezember rechnet die Firma mit einem 20%igen Wachstum. Die DVD - Produktion wuchs per Mai schon um 60 % und die von PCs um 100 %. Radios, Stereogeräte etc. wuchsen bei den teuren Geräten um 60 %, die billigeren Modelle legten um 100 % zu, trotz des schlechten Abschneidens der brasilianischen Fußballnationalmannschaft.
Aber auch der Zucker- und Alkoholsektor profitierte, die Usina Cerradinho z.B. weihte eine neue Anlage zur Verarbeitung von 1,7 Mio. to Zuckerrohr jährlich ein, damit übersteigt die Verarbeitungskapazität der Gruppe 4 Mio. Jahrestonnen. Der Zuckerpreis erhöhte sich übrigens in den letzten 12 Monaten um ca. 90 %, das sei wenigstens nebenbeibemerkt. Als letztes Beispiel will ich Caterpillar nennen, die aufgrund der wahlbedingten Infrastrukturinvestitionen der Regierung mehr schwere Baumaschinen verkauft und dadurch die Produktion für den Inlandsmarkt um 10 % steigern konnte.

03 Juli 2006

Politik und Wirtschaft

Politik und Wirtschaft beeinflussen sich gegenseitig. Normalerweise kommentiere ich als Gast, wenn auch mit Daueraufenthalts- und Arbeitsgenehmigung, in Brasilien nicht die Politik, aber da ich Empfehlungen für oder gegen eine Geschäftstätigkeit in und mit Brasilien ausspreche, muß ich darauf hinweisen, daß ca. 20 % der aktuellen Kongressmitglieder wegen des Verdachts auf Beteiligung an Bandenbildung, Wirtschaftsverbrechen, Korruption, Betrug, Erpressung, Urkundenfälschung, Geldwäsche, Steuerhinterziehung, Diebstahl, Schmuggel und weiterer Delikte die Aufmerksamkeit der Staatsanwaltschaft genießen.

Der Flughafen Congonhas

Der Stadtflughafen Congonhas von São Paulo (es gibt noch den Regionalflughafen Campo de Marte, der von Privatpiloten benutzt wird, und den internationalen Flughafen Cumbica in Guarulhos, dazu etwas weiter entfernt den Frachtflughafen Viracopos bei Campinas) wurde 2005 von 17.000.000 Passagieren benutzt und hatte durchschnittlich 620 Flüge pro Tag. Die 1940 m lange und 45 m breite Hauptpiste wird jetzt im August repariert werden, anschließend ist Anfang 2007 die 1435 m lange und 49 m Hilfspiste an der Reihe. Brasilien hat übrigens 124 Flughäfen, die von kommerziellen Fluglinien angeflogen werden.